Das Persönliche ist politisch

Wenn mich etwas überhaupt nicht interessiert, dann Politik! Mit wehenden Fahnen verkündete ich das vor Jahren einem politisch aktiven Freund auf dem Düsseldorfer Flughafen. Ich sehe es vor mir, als wäre es gestern gewesen. Er sieht mich an, legt schmunzelnd die Hand auf meinen Unterarm und sagt: Das kann sein, nur: So wie ich dich kenne, BIST du total politisch.

 

Jahre später schaue ich auf mein Leben und meine Kunst und muss plötzlich an das Kaffeetrinken von damals denken.

 

Wenn ich Politik im weitesten Sinn als die Art und Weise verstehe, in der Menschen miteinander in Beziehung treten, Ordnung herstellen und Werte setzen, dann ist alles politisch, was sich in menschlichen Beziehungen abspielt. Was ist das für ein Mensch, der sich Fremden gegenüber demokratisch, offen und wohlwollend verhält, während er seiner Frau daheim Macht und Verachtung zeigt? Drücken wir mit unserem Verhalten und unseren Äußerungen nicht unsere Überzeugungen und Werte aus? Hat „Politik“ in den Beziehungen zu unseren Liebsten, zu den uns nahestehenden Menschen keinen Wert? Wer Menschen, mit denen er zu tun hat, klein hält, entmutigt und beschuldigt, statt mit ihnen aufrichtig und wertschätzend zu verhandeln, sagt mehr über seinen Charakter aus als alle Worte oder abgegebenen Stimmen.

 

Das ist der Punkt. Mein Leben ist meine Politik. Wie ich mit anderen in Beziehung gehe. Wofür ich meine Fähigkeiten einsetze. Wie ich über mich selbst denke. Was ich über andere Menschen denke. Wie ich mit den kleinsten Kleinigkeiten umgehe. Das ist mein (Partei)Programm, mein Charakter. „Politisch“ leben heißt, im Einklang mit meinen Überzeugungen und Werten leben. Auch für meine Kunst würde das gelten. Sie spiegelt meine Überzeugungen und Werte.

 

Daraus ergeben sich drei Konsequenzen. Eins: Meine Werte und Überzeugungen prüfen. An dem, was ich tue, erkenne ich, was meine Überzeugungen und Werte sind. Zwei: Meine Werte und Überzeugungen korrigieren, wenn sie mir nicht mehr passen sollten. Mich fragen: Will ich das wirklich? Und drei: In Übereinstimmung mit meinen Werten handeln. Selbstreflektiv. Selbst wählen, was ich will. Und das dann selbst machen.

 

Politik IST persönlich. Dass das leicht ist, hat allerdings keiner gesagt.


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Kommentare: 1
  • #1

    Anna (Sonntag, 05 Februar 2017 09:21)

    Wow!